Das Einmessen oder Einstellen der Lautsprecheranlage ist eine einsame Tätigkeit des Tontechnikers / der Tontechnikerin. Es sollte optimalerweise bereits erledigt sein, sobald die Band mit ihren Instrumenten eintrifft. Das entzerrt die Arbeit ungemein. Es ist der erste Schritt, eine Ton-Anlage konkret in Betrieb zu nehmen. Aber wozu soll das überhaupt gut sein?
Auf den guten Klang einer Anlage haben zwei Dinge entscheidenden Einfluss: 1. die Qualität und Klangcharakteristik der Lautsprecher, und 2. die Beschaffenheit des Veranstaltungsraumes. Müsste ich mich entscheiden, welche dieser beiden Aspekte die wichtigere ist, dann würde ich mich für Punkt 2 entscheiden. Die Qualität heutiger Lautsprechersysteme, auch der preiswerten, halte ich für so gut, dass der Punkt 1 in den Hintergrund tritt. Dagegen tut es jeder Veranstaltung gut, wenn die Eigenheiten des Raumes, namentlich die Raummoden oder Raumresonanzen, einigermaßen ausgeglichen oder gezähmt werden. Wie man vorgehen kann, möchte ich hier beschreiben. Doch was gibt es überhaupt zu zähmen?
Der Direktschall (z.B. von einem Redner oder aus den Lautsprechern) wird an den Raumwänden sowie an Decke und Boden mehrfach reflektiert. Diese Reflexionen erreichen – wie der Direktschall selbst – das hörende Ohr, allerdings abgeschwächt (durch die Reflexion selbst) und zeitverzögert (durch verschieden weit zurückgelegte Wege). Und gerade diese Zeitverzögerung ist es, die mir als Tontechniker oft das Leben schwer macht. All dies wird näher beleuchtet im Abschnitt Raumakustik – Der Hall.
Es ist der Nachhall, der den Eigenklang eines Raumes am meisten bestimmt. Wir kennen Nachhall aus großen Hallenkirchen – interessant, dass die „Halle“ denselben Wortstamm hat wie der „(Nach-)Hall“. In Kirchen erreichen wir locker Nachhallzeiten von mehreren Sekunden (Spitzenreiter Kölner Dom: 13sek). Kleinere Räume erzeugen weniger Nachhall, mit Teppichboden oder Akustikdecken ausgestattete Räume noch weniger, und open air fehlt er fast ganz.
Für ein Chor- oder Orgelkonzert mag dieser Nachhall wunderbar sein. Für moderne, rhyhmus-betonte Musik oder reine Sprachdarbietungen ist zu viel Nachhall jedoch störend. Es ist, als höre man zwei oder mehrere Musiken durcheinander, und wenn es nicht ganz so extrem ist, dann klingt alles einfach verwaschen und unpräzise.
Was kann ich als Tontechniker dagegen unternehmen? Leider gar nichts. Jedenfalls nichts, was moderner Musik gerecht würde. Wenn ein Veranstaltungsraum konzipiert wird, dann kann durch Dämpfungsmaßnahmen (schallabsorbierende Materialien wie Teppichboden oder Akustikdecke) der Nachhall reduziert werden. Auch das Publikum bedämpft den Raum hörbar. Doch wenn ich als Techniker anreise und meine Anlage aufbaue, habe ich meist keinen Teppichboden dabei. Auch das negative Hallgerät, das ich mir schon lange wünsche, gibt es noch immer nicht ;-) Aber es gibt noch ein weiteres Phänomen, das direkt aus dem Nachhall – besser: den Reflexionen – resultiert und gegen das ich durchaus etwas unternehmen kann: die Raumresonanzen.
Wer sich mit der komplizierten Theorie der Raummoden nicht beschäftigen möchte, sollte wenigstens dies wissen: Die Nachhallzeit eines Raumes ist abhängig von der Frequenz. Stets gibt es einige einzelne Frequenzen, die wesentlich länger nachhallen als andere. Dadurch werden Töne dieser Frequenzen deutlich überhöht, sie kingen also lauter. In der Regel bemerkt man das Problem nur im Tieftonbereich, wiel die tiefen Raummoden am deutlichsten hervortreten. In üblichen Veranstaltungsräumen liegen die störendsten Frequenzen ganz grob unterhalb von 300Hz und resultieren in matschigem Klangbrei oder gar heftigem Dröhnen im Bass.
Was ich bisher verschwiegen habe: Die Nachhallzeit eines Raumes ist frequenzabhängig. Zum einen dadurch, dass die schallabsorbierenden Materialien frequenzabhängig absorbieren. Doch darum geht es hier nicht. Vielmehr entstehen in jedem Raum mehr oder weniger starke stehende Wellen, sog. Raummoden. Im Abschnitt Raumakustik – Raummoden werden sie genauer betrachtet.
Und was kann ich dagegen tun? Auch gegen die Überhöhung durch Raummoden helfen verschiedene bauliche Maßnahmen (nicht-parallele Wände, frequenzangepasste Absorptionselemente), die ich aber nicht leisten kann. Es hilft allerdings schon, die kritischen Frequenzen im Raum gar nicht mehr anzuregen; oder wenigstens weniger. Ich muss nur dafür sorgen, dass meine Lautsprecher diese Frequenzen deutlich leiser wiedergeben als den ganzen Rest. Die Kunst ist nun, die genauen Frequenz-Werte zu finden und dann über die Klangregelung des Systems (Equalizer) abzuschwächen. Wie das gehen kann, beschreibe ich jetzt.
In der heutigen Zeit werden Tonanlagen (PAs) gerne eingemessen, jedenfalls im professionellen Bereich. Das geschieht z.B. mit einem Rauschsignal (per Software oder CD/mp3; viele Mischpulte haben einen Rauschgenerator an Bord) und einem oder mehreren Messmikrofonen im (noch leeren) Publikumsraum. Mit geeigneter Software wird dann an einem Bildschirm beurteilt, wie die Signale am Publikums-Ohr (Messmikro-Position) ankommen. Mit diesem Analyse-Tool kann dann der Frequenzgang dieser konkreten Anlage in diesem konkreten Veranstaltungsraum sehr genau eingestellt werden – entweder mit der Klangregelung im Mischpult, meist aber eher mit einem speziellen Lautsprecher-Controller, bei dem jeder einzelne Lautsprecher separat beeinflusst werden kann und der sehr präzise Filtermöglichkeiten bietet. Mit diesem Verfahren erreicht man sehr frequenz- und phasengenaue Einstellungen.
Im Amateur-Bereich wird dieses Vorgehen aber wohl noch länger die Ausnahme bleiben, da es einen erhöhten Aufwand an Zeit, Material und KnowHow mit sich bringt. Daher werde ich das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Gut möglich aber, dass diese Funktionalitäten bald in allen digitalen Mischpulten als automatisierte Prozesse integriert sind.
Was mir bei einer finanziell begrenzten Anlage zum PA-Einstellen zur Verfügung steht, ist mein Gehör, ein (Mess-)Mikrofon und hoffentlich ein möglichst feiner Equalizer (32 Frequenz-Bänder oder parametrisch). Letzterer wird in den Summenbus des Mischpultes geschleift (z.B. per Insert). Mit ihm kann ich die einzelnen störenden Frequenzen gezielt absenken – wenn ich sie erst einmal gefunden habe :-) Besser als ein grafischer Equalizer (mit festen Bändern) ist ein parametrischer, bei dem die Frequenz und die Güte der einzelnen Bänder einstellbar ist, oder sogar durchstimmbare Kerbfilter (Notchfilter). In digitalem Equipment mag so etwas vorhanden sein, im analogen Siderack eher nicht. Sehr oft wird man sich mit einem 32-Band-EQ zufrieden geben müssen.
Um die störendsten Frequenzen zu finden, gehe ich nun je nach Equipment folgendermaßen vor:
Benötigt man besonders viel Rückkoppelfestigkeit (Headroom), weil man sehr leise Schallquellen verstärken muss oder z.b. einen Chor mischt (große Abstände zwischen Klangquelle und Mikrofonen), dann kann man ein ähnliches Verfahren anwenden, um die schlimmsten Rückkopplungen im Vorfeld auszumerzen. Statt Messmikrofon verwendet man hierbei die auf der Bühne verwendeten Mikrofone (die Instrumenten- oder Chor-Mikros). Ganz wie oben beschrieben werden Rückkopplungen über jedes Mikro einzeln provoziert und so die problematischsten Rückkoppelfrequenzen gefunden und gedämpft. Diese werden nicht nur im Tieftonbereich liegen, sondern auch höher. Das Dämpfen geschieht über die Klangregelung des jeweiligen Kanals (nur bei Digitalpulten und nur bei ein oder zwei Frequenzen), oder über die EQs einer Subgruppe, über die diese Kanäle laufen (bei Analogpulten einen EQ in diese Gruppe einschleifen).
Besonders auf lauten Bühnen ist es hilfreich, auch die Monitorwege einzupfeifen. Man wiederholt das Verfahren einfach über die Monitor-Lautsprecher (einzeln), anstatt über die PA. Für jeden Monitorweg benötigt man dabei einen separaten Equalizer, was zumindest in aktuellen Digi-Pulten heute kein Problem mehr ist.
Sind die schlimmsten Raumresonanzen gezähmt, brauche ich als Nächstes Laptop oder Handy, denn jetzt brauche ich Musik – und zwar Musik, die mir vertraut ist. Bei mir altem Sack sind es meist Stücke von Toto (Rosanna), den Dire Straits (Brothers in Arms), Joe Jackson oder Santana. Gemeinsam haben diese Stücke eine sehr gute Aufnahmequalität und hohen Detailreichtum. Außerdem kenne ich all diese Stücke in- und auswendig und weiß genau, wie sie klingen sollen und können. Mit der Klangregelung in den Ausgangskanälen stelle ich nun mit relativ schwachen und breitbandigen Eingriffen den Klang so ein, wie ich es als angenehm empfinde. Für meine Ohren ist es meist angenehm, den Bereich um 1000Hz ein wenig zu bedämpfen. Übertreibe ich das, dann klingt die Musik aber ziemlich schnell ziemlich tot.
Luka am 08.05.2022 um 13:46 Uhr | Sehr cool, dass du deine Erfahrungen hier mit uns teilst. Ich bin auf dieses Thema gestoßen, da unser Verein zwei Subs Marke Eigenbau im Materiallager stehen hatte und grausig schlechte Tops – ebenfalls Eigenbau mit Piezo-Hochtönern. Da in unserem Dorf jemand zwei sehr gute EV-Topteile hat, dachte ich mir, vielleicht könnte man bei den Subs ja etwas retten. Gesagt getan: Neuen Treiber eingebaut, Klinkenanschlüsse gegen SpeakOn getauscht, Frequenzweiche dazwischen (das war der magische Moment, wo die anderen Leute mal gesehen haben: "Hoppla, die können ja doch etwas!" – kein Wunder, wenn man den Subs auch nur die Frequenzen liefert, die sie spielen können... ;) ) Unterm Strich standen da also zwei Bässe aus dem Eigenbau und zwei gute Top-Teile von EV. Wie beides kombinieren? Erst einmal hab ich ein wenig nach Gehör versucht, wollte es dann aber genauer wissen und hab mir ein Messmikrofon besorgt. Werde in den nächsten Tagen mal mit Rauschen einmessen. Da in der Halle Bühnenelemente im Boden eingelassen sind, sind da deren Resonanzen vorprogrammiert. Das wird interessant, ob sich diese Nebengeräusche ein wenig dämpfen lassen. :) |