Der Mensch hört Frequenzen im Bereich zwischen 20Hz und 20.000Hz. Ganz grob. Wenn er jung ist. Dies ist jedenfalls das Spektrum, das in einer Tonanlage verarbeitet werden muss. Und dies ist der Bereich, in dem sich Stimmen und Instrumente tummeln, ja in dem sie geradezu um Aufmerksamkeit buhlen. Die Klangregelung – hier diejenige im Mischpult-Kanal – dient dazu, in diesem Frequenzbereich „aufzuräumen“. Hier können Frequenzabschnitte gezielt manipuliert, also abgesenkt (abgeschwächt) oder überhöht (verstärkt) werden. Dabei gibt es folgende mögliche Ziele:
Bevor ich zu den Methoden komme, diese Ziele erreichen, möchte ich ein paar Worte zu den Frequenzbereichen verschiedener Klangquellen verlieren: Nach unten, also zu den tiefen Frequenzen hin, ist (fast) jeder Klangerzeuger relativ scharf durch seine Grundfrequenz begrenzt. Sie ist z.B. vorgegeben durch die Tonhöhe der schwingenden Gitarrensaite, der Stimmbänder oder des Trommelfells (auf der Trommel, nicht im Ohr). Unterhalb dieser Grundfrequenz „findet nichts statt“. Nach oben ist die Begrenzung deutlich weniger scharf. Jedes Instrument und jede Stimme erzeugt unzählige Obertöne, die in ihrer Dichte und Verteilung im Spektrum den besonderen Eigenklang ausmachen. Obertöne werden nach oben hin zwar immer schwächer, verschwinden aber nie vollständig. Dazu gesellen sich viele zusätzliche Geräusche: Bei Stimmen sind dies die Zisch- und Explosivlaute, bei Gitarren und Trommeln etwa die Anschlagsgeräusche. Diese reichen bis in die höchsten Höhen hinauf, aber auch zu den tiefsten Abgründen hin. Eine akustische Gitarre z.B. kann am Korpus angeschlagen werden, was sehr tiefe Töne erzeugt, und Ólafur Arnalds aus Island ist Meister darin, bei seinen Aufnahmen die Nebengeräusche von Klavieren in Szene zu setzen, die ebenfalls tiefer ansetzen als die Schwingungen der Saiten. Der Stil beeinflusst also auch die Frage, welche Frequenzbereiche man schätzt und welche man loswerden will.
Trittschall? Was bitte ist Trittschall? Ganz einfach. Man stelle sich eine Holzbühne vor, möglichst eine, die unten hohl ist, also nicht auf einem Betonsockel aufliegt. Auf dieser Bühne steht ein einsames Mikrofon auf einem Stativ. Die Künstlerin betritt die Bühne und verbeugt sich. Applaus Applaus, dann schreitet sie Richtung Mikrofon – mit Stöckelschuhen! Auf einer hohlen Holzbühne! Schon ohne das Mikrofon erzeugen die Pfennigabsätze deutliche Schrittgeräusche. Diese fallen nicht weiter auf, da wir Menschen nichts anderes erwarten, wenn feste Schuhe über Holz gehen. Aufgrund der hervorragenden Schallleitungseigenschaften von Holz und Metall aber wird sich dieser Schall nicht nur durch die Luft, sondern viel stärker noch durch das Bühnenholz hindurch und das Mikrofonstativ herauf bis zum Mikrofon vorarbeiten. Falls dieses bereits eingeschaltet ist, werden die Lautsprecher ein deutliches Rumpeln von sich geben. Über diese Körperschallleitung werden tiefe Frequenzen besonders gut übertragen, sodass sich insbesondere bei angeschlossenen Subwoofern das Rumpeln schnell in Dröhnen wandeln kann (man beachte, dass die hohle Bühne ähnlich wirkt wie der oben erwähnte angeschlagene Gitarrenkorpus, der ebenfalls tiefste Töne erzeugt).
Trittschall sollte herausgefiltert werden. Dies geschieht am Mischpult im Mikrofonkanal mittels Hochpass/High-Pass/Hi-Pass/HPF (nur höhere Frequenzen können passieren), gerne auch Low-Cut/Lo-Cut (tiefe Frequenzen werden beschnitten) oder eben Trittschallfilter genannt. In aller Regel (analog und digital) ist dies ein Hochpass 2. Ordnung mit einer Flankensteilheit von 12dB pro Oktave (40dB pro Dekade).
Bei analogen Pulten kann man das Trittschallfilter lediglich an- oder ausschalten. Die Grenzfrequenz ist fest vorgegeben und liegt im Bereich um die 100Hz. Beinahe jede Schallquelle auf einer Bühne verträgt den Einsatz des Trittschallfilters, da die wenigsten Instrumente wichtige Frequenzen unter 100Hz erzeugen, genau wie die menschliche Stimme. Dabei geht es nicht immer um den Trittschall, also um Körperschall. Manchmal hilft dieses Filter einfach, die Rückkoppelfreudigkeit im tiefsten Bereich zu zügeln oder unnötiges Dröhnen zu vermeiden. Natürlich gibt es wichtige Ausnahmen: Eine Bassgitarre spielt sehr wohl unter 100Hz, und auch tiefe Trommeln (Bassdrum, Floor-Tom) schwingen deutlich darunter. Will man ihnen nicht den Druck nehmen, lässt man bei ihnen tunlichst die Finger vom High-Pass-Filter.
In der digitalen Welt hat sich das Trittschallfilter deutlich gemausert zu einem universell einsetzbaren Hochpass. In digitalen Pulten nämlich kann die Grenzfrequenz stufenlos eingestellt werden. Die Flankensteilheit bleibt zwar weiterhin fest vorgegeben (12dB pro Oktave), aber den Bereich der tiefsten Frequenzen, die man bedämpft, ist weitgehend frei wählbar. So kann sehr fein justiert werden, um beispielsweise Männerstimmen anders zu filtern als die von Frauen: Bei hohen Stimmen kann das Filter deutlich höher ansetzen, ohne den Stimm-Charakter zu verändern. Auch eine Querflöte kann deutlich oberhalb von 100Hz beschnitten werden, was die Klappengeräusche zu minimieren hilft. Und selbst der Bassgitarre kann man die allertiefsten Tiefen rauben und dadurch unnötiges Dröhnen vermeiden (auch der tiefste Bass reicht nicht tiefer als 30Hz, und auch die Kick-Drum fördert darunter nur noch Dröhnen).
Im digitalen Zeitalter bietet das Lo-Cut-Filter also große Chancen für die Klanggestaltung. Auf der anderen Seite muss es sorgfältig eingestellt werden. Ein wichtiger Schritt im Soundcheck ist also die gewissenhafte Bestimmung der Grenzfrequenz, die die jeweilige Schallquelle verträgt, ohne platt und hohl zu klingen. Insbesondere die menschliche Stimme kann man leicht kaputtfiltern, wenn man ihr die Wärme der Tiefen nimmt. Unbedingt beachten sollte man, dass ein Hochpass 2. Ordnung bei seiner Grenzfrequenz bereits eine Dämpfung von 6dB aufweist. Daher: Dröhnen bezähmen ja, aber ohne dabei eine Mickey-Mouse-Stimme zu erzeugen!
To Do
↪ weiter mit Aux-Wege