Tontechnik ist Teamwork. Damit ist an dieser Stelle nicht Teamwork innerhalb des Technikteams gemeint, sondern Teamwork zwischen Bühne und FOH („Front of House“; Mischpult-Arbeitsplatz). Alle Veranstaltungen, bei denen Technik gebraucht wird, leben von diesem Teamwork. Binsenweisheit? Oh nein. Dieses Kapitel steht nicht zufällig ganz zu Beginn dieses Seminars. Meine Erfahrung zeigt, dass oft eine tiefe Kluft besteht zwischen den Akteuren auf der Bühne und denen am FOH, und dass vielfach das Verständnis fehlt für die Wünsche, Nöte und Bedürfnisse der Menschen am jeweis anderen Ende des Publikums. Warum ist das so?
Die Arbeit auf der Bühne ist eine völlig andere, als die am Mischpult. Akteurinnen und Akteure auf der Bühne kämpfen darum, ihr Publikum zu erreichen, zu unterhalten oder besser noch zu begeistern. Sie haben ein Programm entwickelt, einstudiert, geprobt, müssen Texte und Melodien parat haben, dürfen den Faden nicht verlieren und tun alles, damit man ihnen ihr Lampenfieber nicht anmerkt. Es mag Ausnahmen geben, aber auch die selbstsicherste Rampensau hat Angst vor dem Versagen – auf der Bühne, vor all den Leuten. Und die Techniker-Gilde? Ist sie nicht einfach nur dafür da, damit die Technik nicht versagt?
Nach einer Kindertheater-Vorstellung, bei der ich der Techniker war, zeigte neulich ein Junge auf mich und sagte zu seinem Freund: „Das ist der Steuermann.“ Und damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Als Techniker bin ich der Steuermann. Ich bin nicht der Kapitän, ich bestimme nicht, wo’s lang geht. Aber ich sorge dafür, dass es auch wirklich da lang geht, wo es lang gehen soll.
Die Kapitäne stehen auf der Bühne. Sie bestimmen die Richtung, müssen sich aber auf mich, ihren Steuermann, verlassen können, und zwar in jedem Moment, auch wenn sie mal nicht hinsehen zu mir. Was sie brauchen, ist Vertrauen in mich! Und dieses Vertrauen muss ich mir verdienen. Wie kann ich das anstellen?
Natürlich muss ich meine Technik beherrschen. Natürlich muss ich mich mit Mikrofontypen auskennen, die Lautsprecher richtig aufstellen und jeden Knopf am Mischpult kennen. Darum geht es in all den anderen Kapiteln dieses Seminars. Das alles ist wichtig und fördert das Vertrauen. Dieser Teil hier aber, der das Teamwork beschreiben soll, ist mindestens genau so wichtig. Denn niemandem auf der Bühne nützt ein Techniker, der am Handy daddelt oder durch seine Körpersprache vermittelt, dass ihn nicht interessiert, was vorne geschieht. Niemand auf der Bühne möchte sich neben der Konzentration auf die eigene Performance noch um die Technik sorgen. Teamwork heißt Aufgabenteilung, und Vertrauen ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Wie ich mit einfachsten Mitteln dieses Vertrauen schaffe, das schildere ich in meinem Tontechnik-Knigge.
Tja und anders herum? Was habe ich als Techniker für Wünsche, Nöte und Bedürfnisse? So einige :-) Auch ich habe Lampenfieber, auch ich habe Angst zu versagen, eine Situation nicht im Griff zu haben, oder dass mir einer meiner Lautsprecher abraucht. Was mir zu einem guten Gefühl der Sicherheit verhilft, ist zum Einen ein Soundcheck, der diesen Namen auch verdient. Weil er so essentiell ist, habe ich dem Soundcheck einen extra Abschnitt gewidmet. Alles andere möchte ich hier nur anreißen – nicht etwa, weil es unwichtig oder selbstverständlich wäre. Im Gegenteil. Aber dies ist ein Seminar für Techniker und Technikerinnen, und Bühnen-Menschen werden hier kaum vorbeischauen. Aber der/die eine oder andere vieleicht doch, und daher:
Als Techniker brauche ich die Gewissheit, dass meine Arbeit geschätzt wird – ach, dass sie überhaupt wahrgenommen wird. Eine freundliche Begrüßung ist schon ein guter Anfang – und die ist leider tatsächlich nicht selbstverständlich. Mit Überheblichkeit von der Bühne herab kann ich nur schwer umgehen, aber als stiller Mitarbeiter im Hintergrund respektiert und geachtet zu werden, das ist schon etwas Großartiges. Danke an all die Musikerinnen und Musiker, die das begriffen haben :-)
↪ weiter mit Tontechnik-Knigge