Eine der meistgestellten Fragen an mich lautet: „Was sind Rückkopplungen und was mache ich dagegen?“ Eine kurze und knappe Frage, für deren Beantwortung ich allerdings ganz schön weit ausholen muss.
Ein Grund, warum die Rückkopplung ein so erfolgreich biestiges Wesen ist, liegt in der Tatsache, dass es in der Natur keine akustischen Rückkopplungen gibt – jedenfalls nicht das, was wir als Rückkopplung kennen, als Feedback, als Pfeifen oder Dröhnen, das einem die Ohren wegpustet und die Lautsprecher killt. Solche Rückkopplungen gibt es erst, seit der Mensch Schall aktiv verstärken kann. Er kann es mit dem Umweg über Mikrofone, Lautsprecher und Elektronik (angefangen mit Röhrenverstärkern vor über 100 Jahren). Und wenn man beim Verstärken von Schall nicht aufpasst, geschieht das Malheur. Wenn man es aber wirklich verstehen will, muss man – wie gesagt – weit ausholen. Vorerst will ich es aber nur grob schildern, um eine Vorstellung zu vermitteln, was prinzipiell geschieht.
Stellen wir uns ein Mikrofon vor und einen Lautsprecher, dazwischen einen elektonischen Verstärker. Der Schall am Mikrofon wird in ein elektrisches Signal umgewandelt, dieses wird im Verstärker ordentlich verstärkt, um dann den Lautsprecher anzutreiben. Hier entsteht also neuer Schall, der dem ursprünglichen am Mikrofon sehr ähnlich ist (hoffentlich). Dieser neue Schall gelangt nun über verschiedenste Wege (direkt oder als Reflexion von Wänden, Decke, Fußboden, ...) zum Mikrofon zurück, wo er wiederum in ein elektrisches Signal umgewandelt, verstärkt und aus dem Lautsprecher ausgegeben wird. Dies geschieht immer und überall, wo ein Lautsprechersystem für Live-Beschallung verwendet wird. Das lässt sich nicht vermeiden. Als Wesen mit Ohren wird man davon solange nichts mitbekommen, bis der Schall, der vom Lautsprecher zum Mikrofon zurückgewandert ist, dort lauter ist als der ursprüngliche Schall an diesem Mikrofon. Denn, wie wir wissen, wird er seinerseits über den Verstärker aus dem Lautsprecher tönen, aber lauter als zuvor. Somit wird er auch noch lauter als zuvor am Mikrofon ankommen, somit noch lauter aus dem Lautsprecher, lauter ins Mikrofon, noch lauter aus dem Lautsprecher, ... Wir sehen: Es ist ein Schall-Kreislauf entstanden, der sich immer weiter aufschaukelt. Dieses Lauterwerden hat keine Grenzen, außer durch die Aussteuerbarkeit der Elektronik und die begrenzte Leidensfähigkeit des Lautsprechers.
Dieses Aufschaukeln des Signals, also die hörbare Rückkopplung, das Feedback, geschieht solange nicht, solange der Lautsprecherschall am Mikrofon leise genug ankommt, dort also nicht die Größenordnung des ursprünglichen Schalls erreicht. Technischer und genauer ausgedrückt: Solange die Ringverstärkung VR des Systems kleiner bleibt als 1, wird der rückkoppelnde Schall wieder abflauen. Dies ist der normale, der erwünschte Bereich, in dem jede Tonanlage arbeiten sollte. Und hieraus können wir auch schon auf geeignete Maßnahmen schließen, eine Rückkopplung zu vermeiden: Der Lautsprecherschall am Mikrofon muss gering gehalten werden. Mehr ist es nicht, das ist alles. Wie kann ich das erreichen?
Tja, damit haben wir eigentlich alles Handwerkszeug zusammen, das wir brauchen, um das Biest der Rückkopplung zu zähmen. Doch haben wir es damit auch erschöpfend verstanden? Nein, keineswegs. Wir können noch unendlich tief in dieses Thema eintauchen. Ich möchte hier aber nur ein paar Dinge ansprechen, die für die Praxis wichtig sind.
Neulich war ich Gast in einer Lesung. Der Raum war ein langer, schmaler Schlauch, ich saß sehr weit hinten. Es war schwer, die Autorin zu verstehen, während sie las. Der Tontechniker versuchte nach Vermögen, ihre Stimme lauter zu mischen, doch das System war weitgehend ausgereizt. Bei jeder Lautstärkererhöhung klingelte es in den Ohren. Immer wieder rief jemand im Publikum Dinge wie: „Mach mal den Hall weg“ oder „Das klingt blechern“. Hallig, blechern, topfig – das sind die Attribute, die man einer zu weit aufgerissenen Anlage zuschreiben kann. Insbesondere eine Person auf der Bühne, die selbst ins Mikro spricht, wird die Situation als hallig oder blechern wahrnehmen (und das erfahrungsgemäß auch äußern). Dabei ist hier zwar Hall, aber kein Blech im Spiel. Letztlich sind es aber schlicht Rückkopplungen.
Für tontechnische Laien ist eine Rückkopplung erst das, was man Feedback nennt, was also laut pfeift oder dröhnt und einen Tinnitus hinterlässt. Tatsächlich aber ist die Rückkopplung immer aktiv. Oben schrieb ich bereits: „Dies geschieht immer und überall, wo ein Lautsprechersystem für Live-Beschallung verwendet wird. Das lässt sich nicht vermeiden.“ Ist diese Schall-Rückkopplung klein genug, wird sie nicht zu hören sein; das Nutz-Signal wird es locker übertönen. Ist sie sehr groß, wird sich das Feedback einstellen, eben das Pfeifen oder Dröhnen – dann wird es gefährlich für die Ohren! Es gibt aber einen weiten Bereich dazwischen, in dem sich die Rückkopplung zwar noch nicht von selbst aufschaukelt, aber doch so laut aus den Lautsprechern kommt, dass sie hörbar wird. Genau in diesem Bereich, in den man leider sehr häufig gerät, wird es hallig und blechern.
Wenden wir uns zunächst dem Halligen zu. Im Kapitel „Raumakustik/Hall“ habe ich erläutert, wie der Hall in einem Raum entsteht. Viele Veranstaltungsräume sind hallig. Das ist meist nicht weiter schlimm, denn das menschliche Ohr kann damit umgehen. Es wird niemanden wundern und meist auch nicht stören, wenn eine Halle hallig klingt. Problematisch wird es, wenn der Raumhall über Mikrofone in die Tonanlage gerät, die am Rande der Rückkopplung arbeitet. Dann quillt der Hall nämlich verstärkt aus den Boxen und wird durch den Raum wiederum verhallt, nur um wieder in die Anlage zu geraten. Hier wird also nicht nur die Lautsärke des Signals verstärkt, sondern auch seine (hallige) Eigenschaft. So eine Situation ist nicht mehr schön; die Sprachverständlichkeit leidet massiv, Musik wird zu Brei. Was man dagegen tun kann? Nicht viel. Den Raumhall zu verringern würde helfen, ist aber ohne bauliche Maßnahmen kaum möglich. Es hilft nicht einmal weiter, das Mikro weiter von den Boxen entfernt aufzustellen, denn bei halligem Klang ist es ja nicht der direkte Schall zwischen Lautsprecher und Mikro, der zum Problem wird, es ist der Hall, der aus dem Raum zurückkehrt. Ganz hilflos ist man als Tontechniker oder Tontechnikerin aber dennoch nicht. Der Techniker bei der Lesung hat nach einigen Versuchen die Sache jedenfalls in den Griff bekommen. Was er gemacht hat, weiß ich nicht. Vermutlich hat er sich zunutze gemacht, dass in aller Regel nur bestimmte Frequenzen rückkoppelanfällig sind. Diese hat er vermutlich gefunden und gedämpft (s.u.).
Die Frequenzabhängigkeit von Rückkoppungen bringt und direkt zum Blech. Fast alles im Tontechnik-Umfeld ist frequenzabhängig, daran muss man sich gewöhnen. Die Richtwirkung von Lautsprechern ist z.B. sehr frequenzabhängig. Strahlen manche Lautsprecher hohe Frequenzen durch einen sehr schmalen „Korridor“ Richtung Publikum ab, sind dieselben Lautsprecher bei tiefen Frequenzen geradezu Rundumstrahler. Bei Mikrofonen ist es genauso: Die Superniere eines recht rückkoppelfesten Supernierenmikros ist nur bei hohen Frequenzen eine Superniere, d.h. sehr deutlich nach vorn gerichtet. Zu tieferen Frequenzen hin ändert sich das zu so etwas wie einer gewöhnlichen Nierencharakteristik, um bei ganz tiefen Frequenzen eher eine Kugel zu sein. Tiefe Frequenzen geraten also aus allen Richtungen gleich gut ins Mikro. Dann hat jedes Mikro seinen speziellen nicht-linearen Frequenzgang, betont also seinerseits bestimmte Frequenzen und schwächt andere ab; dies macht oft den besonderen Reiz eines Mikrofontyps aus. Und dann gibt es noch die Reflexionen im Raum. Je nach Material der Wände werden verschiedene Frequenzen unterschiedlich intensiv reflektiert, andere werden nahezu ausgelöscht. Zu guter Letzt erwähne ich noch die Raummoden, die die Schallausbreitung bestimmter Frequenzen im Raum begünstigen oder erschwerden, noch dazu abhängig vom Ort im Raum. All das ist Physik, ist hochkompliziert und lässt sich nicht ändern. Für unsere Rückkopplungen bedeutet das allerdings, dass auch sie massiv frequenzabhängig sind, und zwar sehr unvorhersehbar. In der Praxis werden also bestimmte Frequenzen hervorstechen, d.h. im Rückkopplungssystem begünstigt sein. Sie verleihen der Rückkopplung eine eigenene Klangcharakteristik, die sehr oft als blechern empfunden wird. Oder topfig. Oder sonst irgendwie sehr speziell. Nur meist nicht schön.
Halligkeit und blecherner Klang betreffen eher breite Frequenzbereiche. Doch gerade, wenn es um die genannten Raummoden geht, sind es sehr diskrete Frequenzen, die zu übermäßigen Rückkopplungen führen. Ein ausgewachsenes Feedback kennzeichnet sich durch ein Schwingen mit einer ganz bestimmten Frequenz, selten auch mal zwei oder drei gleichzeitig. Hier ist dann oft eine Raummode aktiv. Sie kann gar nicht anders, als mit genau dieser Frequenz zu schwingen. Da jeder Raum mehrere relevante Moden besitzt, sind es mehrere diskrete Freuenzen, die schnell zum Problem werden können. Dieses Wissen aber kann einen weiterbringen.
In dieser Frequenzabhängigkeit der Rückkopplung liegt nämlich eine große Chance meines Berufsstandes. Bestimmte Frequenzen werden sich als erste als Feedback bemerkbar machen oder als Halligkeit oder Blech. Nehme ich ein solches Problem wahr, kann ich versuchen, den kritischen Frequenzbereich oder die diskrete Frequenz zu ermitteln, der oder die speziell für dieses Phänomen verantwortlich ist. Kenne ich den Frequenzbereich, kann ich ihm im Mischpult zuleibe rücken: Mit der Klangregelung, also dem parametrischen Equalizer (für ganze Frequenzbereiche) oder dem grafischen Equalizer (für diskrete Frequenzen). Schwäche ich den verantwortlichen Frequenzbereich – und nur den(!) – in Maßen(!) ab, eliminiere ich den Rückkoppel-Effekt, den er verursacht, ohne den Gesamtklang zu sehr zu verfälschen. Als Ergebnis kann ich ggf. die Gesamtlautstärke erhöhen. Dann wird sich sicher die nächste Frequenz melden, und auch die kann ich gezielt reduzieren. Das geht in der Regel bei zwei oder drei kritischen Frequenzen, dann wird irgendwann der klangliche Einfluss zu groß. Dieses Vorgehen habe ich auch im Kapitel „Anlage einmessen / einstellen“ erläutert.
Also: In der Frequenzabhängigkeit des rückgekoppelten Systems liegt eine große Chance, doch auch hier sind natürlich Grenzen gesetzt.
Es gibt noch ein paar weitere Dinge, die beim Thema Feedback eine Rolle spielen:
Ja ja, die Rückkopplung. Sie ist ein schwer zähmbares Biest. Das Zähmen geschieht optimalerweise im Soundcheck, wenn noch kein Publikum da ist. Dann optimiere ich Lautsprecher- und Mikrofonpositionen, suche wie beschrieben die kritischsten Frequenzen, zeige ggf. den Personen auf der Bühne, wie sie ihr Mikro halten sollten, kontrolliere den optimalen Sitz der HeadSets, flehe Sprechende an, lauter zu sprechen, und und und. Doch auch wenn ich das Biest gezähmt habe: Irgendwann wird es wieder ausbrechen, vor Publikum: Wenn der Sprecher auf der Bühne plötzlich doch Sprechangst bekommt und nur noch flüstert oder das Mikro bis zum Bauchnabel sinken lässt; wenn der Chor in der sechsten Strophe seinen Text nicht mehr kann und nur noch drei Singende auch wirklich singen; wenn das Mikro vor dem Gitarrenamp sich langsam verabschiedet, weil das Galgengelenk des Mikroständers ausgeleiert ist. Dann wird es kritisch, dann muss ich nämlich den entsprechenden Fader hochziehen. Und dann muss ich auf der Hut sein. Wie schon im Tontechnik-Knigge erwähnt, ist Aufmerksamkeit das höchste Gut bei der Arbeit am Mischpult. Als Tontechniker habe ich ein geschultes Gehör. Ich erkenne eine Rückkopplung, bevor sie jemand anders hört, insbesondere, bevor sie ausbricht und Schaden anrichtet – wenn ich aufmerksam bin. Nur dann. Bin ich aufmerksam, höre ich sie schon von Weitem. Dann kann ich meine Hand schon mal an den richtigen Fader legen, bereit, den Kanal jederzeit wieder zurückzufahren. Oder dem Biest über die Klangregelung den Weg erschweren. Nur wer aufmerksam ist und genau hinhört, wie der Jäger auf dem Ansitz, kann schneller sein als das Biest.