Ins Mischpult müssen viele Eingangssignale eingespeist werden. Bei großen digitalen Pulten geschieht dies vorzugsweise über ein Netzwerkkabel zwischen Pult und digitaler Stagebox. Analoge Pulte jedoch und kleinere digitale bieten für jeden Kanal eine Buchse, auf die die Signalleitungen gesteckt werden, vorzugsweise die eines Multicores (Mehrfach-Mikrofonleitung) mit seinen durchnummerierten XRL-Steckern. Diese unzähligen Stecker zu stecken gehört nicht zu den schönsten Arbeiten am Technikplatz, und so übertrage ich sie gerne hilfswilligen Laien :-) Doch wofür genau sind die verschiedenen Buchsen im Eingangsbereich eines Mischpults vorgesehen?
Jedes Mischpult im Veranstaltungsbereich bietet eine XLR-Buchse als Kanal-Eingang („Mic“). XLR ist die Stecker-Norm für Mikrofone. Auch Multicores enden in einzelnen XLR-Steckern, die hier aufgesteckt werden können. Das Besondere an diesem dreipoligen Steckerformat ist die symmetrische Signalführung. Neben der Signal-Masse (dem gemeinsamen Bezugspunkt für die elektrischen Signale) sind zwei Signalleitungen vorgesehen, üblicherweise mit „+“ und „-“ gekennzeichnet. Beide führen dasselbe Audiosignal, einmal jedoch ist es invertiert. Ein positiver Ausschlag auf der „+“-Leitung geht somit einher mit einem gleich großen negativen Ausschlag auf der „-“-Leitung. Symmetrische Leitungen sind der Standard, um schwache Mikrofonsignale über weite Strecken störungsarm zu übertragen. Störungen auf dem Übertragungsweg (Brummen) wirkt sich nämlich auf beide Leitungen gleich aus. Ihre Wirkung hebt sich am Verstärker-Eingang im Pult (Differenzverstärker, der die beiden Signale subtrahiert) gegenseitig auf. Mehr zu dieser genialen Idee siehe: [to do].
Die symmetrischen Kabel und Stecker im Audiobereich sind zwar ursprünglich für Mikro-Signale eingeführt worden, heute jedoch werden sie für alle möglichen Signalquellen verwendet. Auf der Bühne wird alles per XLR-Kabel verdrahtet, ggf. mithilfe einer DI-Box. Konsequenterweise bietet fast jede Stagebox nur das XLR-Format an, und das andere Multicore-Ende ebenfalls. Kein Wunder also, dass die XLR-Buchse am Pult ein absolutes Muss ist. Na ja, nicht ganz. Großformatige Digitalpulte erhalten – wie oben schon erwähnt – ihre Audiosignale nicht mehr über einzelne Leitungen, sondern über moderne Netzwerkverbindungen (digitales Multicore, CAT-Kabel). Dennoch muss es einen Ort geben, wo die vielen Mikrofone und Instrumente per XLR eingesteckt werden können, und das ist die ebenfalls digitale Stagebox am Bühnen-Ende des Netzwerkkabels. Wenn also das Pult keine XLR-Buchsen mehr bietet, dann sind diese nur ausgelagert (inklusive analoger Vorverstärker- und Phantomspannungstechnik) in den zugehörigen elektronischen Mitarbeiter auf der Bühne.
Noch eine Besonderheit bietet die symmetrische Mikrofonleitung: die Möglichkeit der Phantomspeisung (Phantomspannung, phantom power, +48V). Sie dient der Spannungsversorgung der angeschlossenen Signalquelle. Kondensatormikrofone benötigen diese Versorgung, aber auch aktive DI-Boxen. Dynamische Mikrofone oder passive DI-Boxen dagegen nicht. Sie sind intern so verdrahtet, dass sie eine anliegene Phantomspannung gar nicht „sehen“ können, aber auch nicht von ihr beschädigt werden. Eine Spannung, die anliegt aber nicht wahrgenommen wird, könnte man auch als ein Phantom bezeichnen – daher der Name. Konkret legt das Pult eine +48 Volt Gleichspannung (in Bezug auf die Signal-Masse) auf beide Signalleitungen („+“ und „-“).
Zusätzlich zur XLR-Buchse bieten viele Pulte einen symmetrischen Klinken-Eingang („Line“). Er bietet nicht einfach nur eine anderes Stecker-Format, sondern ist für Nicht-Mikrofon-Signale mit Line-Pegel vorgesehen. Ein Mikrofon gehört also in den XLR-Eingang, ein hochpegeliges Instrument dagegen in die Klinkenbuchse. Im diesem letztgenannten Fall reicht dafür ein einfaches Klinke-Klinke-Instrumentenkabel aus. Auch, wenn dieses unsymmetrisch ist (nur zwei Leitungen), funktioniert es dennoch am symmetrischen Eingang. Eine dort anliegende Phantomspannung allerdings (sie benötigt zwingend drei Leitungen) verliert durch die Unsymmetrie ihren Phantom-Charakter und könnte das angeschlossene Gerät durchaus beschädigen. Daher wird der Line-Eingang bei keinem Pult der Welt mit 48V beschaltet.
Ich selbst verwende den Line-Eingang nur für wenige Signale. Bei kleinsten Setups kann er hilfreich sein, wenn z.B. Gitarren- oder Keyboard-Ausgänge (meist Klinkenbuchsen) direkt und ohne DI-Box oder Multicore eingesteckt werden sollen. Auch ein Laptop oder mp3-Player macht sich gut an diesem Eingang. Bei manchen kleinen Pulten, bei denen die Phantomspannung nur gemeinsam (für alle Kanäle gleichzeitig) an- oder ausgeschaltet werden kann, ist diese spannungsfreie Buchse sogar essenziell wichtig für den Anschluss unsymmetrischer Geräte. Bei großen Digital-Pulten findet man diese Buchse dagegen an den normalen Eingängen gar nicht. Nur eine handvoll Aux-Eingänge sind mit Klinkenbuchsen (oder auch Cinch) ausgeführt für den einfachen Anschluss unsymmetrischer Audio-Quellen (Laptop, mp3-Player, ...).
Meist ist der Line-Eingang einfach parallel zum Mic-Eingang verdrahtet (bis auf die fehlende Phantomspeisung). Egal, wo ich mein Signal einstöpsel, erreicht es den Eingangs-Vorverstärker. Aber hier und da hatten Hersteller die Idee, den Signalfluss von der PAD-Taste abhängig zu machen: Bei gedrückter Taste funktioniert nur die Line-Buchse, sonst nur der Mic-Eingang. Dies ist sehr tückisch, wenn man es nicht weiß, und sehr ärgerlich, wenn ein XLR-Signal doch mal per PAD abgeschwächt oder ein Klinken-Signal übermäßig verstärkt werden muss. Glücklicherweise ist dieses Umschalt-Verhalten nur sehr selten zu finden.
„Insert“ heißt „einfügen“. Und genau das macht die Insert-Buchse. Sie ist sehr häufig vorzufinden, wenn auch nicht bei sehr kleinen Pulten und auch nicht immer bei allen Kanälen; bei Stereo-Kanälen z.B. fast nie. Über diese dreipolige Klinkenbuchse wird das Signal nach dem Vorverstärker im Pult abgegriffen, nach außen geführt und über dieselbe Buchse wieder eingespeist. Auf diese Weise kann ein externes Audiogerät in den Signalweg eingefügt werden (insert). Meist ist dies ein Effektprozessor in Form eines 19"-Gerätes, das sich im Siderack befindet. Häufigster Anwendungsfall ist hier sicher der Kompressor. Er erhält das Signal also direkt vom Pult-Vorverstärker, tut sein Werk in Form einer Dynamik-Kompression und schickt das veränderte Signal zum Kanal zurück. Auch Hall-Effekte, Equalizer oder exotische Klangzauberer können so eingefügt werden, bei entsprechender Kabelage auch mehrere Geräte hintereinander.
Apropos Verdrahtung: Die vewendete Klinkenbuchse ist stets eine dreipolige, wie sie auch für den Line-Eingang oder für Stereo-Kopfhörer verwendet wird. Sie führt neben der Masse zwei Signale, nämlich eines hinaus („Send“) und eines wieder hinein („Return“). Den eingesteckten Klinkenstecker verlassen dabei zwei getrennte Leitungen, an deren Enden jeweils ein Klinkenstecker sitzt (zweipolig): Einer für den Effektgerät-Eingang und einer für den -Ausgang. Jedes Signal der dreipoligen Insert-Buchse läuft also durch sein eigenes Kabel, eins hin und eins zurück. Die Masse wird dabei auf beide Kabel aufgeteilt. Aufgrund dieser 1-auf-2-Bauart nennt man dieses (Doppel-)Kabel auch Y-Kabel.
Das Send-Signal läuft immer über sie Spitze (Tip) des Insert-Klinkensteckers. Zurück kommt es über den Ring. Ich habe bisher nur ein einziges Pult erlebt, bei dem es umgekehrt war. Dies war sehr ärgerlich, da ich einige Minuten brauchte, um das Problem zu erkennen, und dann in meinem fest verdrahteten, engen Siderack die Stecker an Ein- und Ausgängen der Kompressoren tauschen musste – nichts, was ich gerne wiederholen möchte ...
Die dreipolige Insert-Buchse im Pult hat übrigens intern einen raffinierten Schalt-Mechanismus. Er bewirkt, dass beide Signal-Pole (Send und Return) miteinander kurzgeschlossen sind, solange kein Klinkenstecker eingesteckt ist, also kein Insert verwendet wird. Das Ausgangssignal des Preamps wird so direkt im Kanal weitergeleitet. Erst, wenn ein Stecker eingesteckt wird, trennen sich beide Pole und verbinden sich mit Spitze und Ring des Steckers. So wirkt der Stecker selbst als Schalter, sodass man dem Pult nicht mehr anderweitig „mitteilen“ muss, dass jetzt Insert angesagt ist.
Nicht vergessen sollte man noch, dass jedes der beiden Insert-Signale unsymmetrisch (zweipolig) geführt wird. Es ist daher störanfällig und sollte nicht über zu große Distanzen geleitet werden.
Bei digitalen Pulten gibt es die Insert-Buchse nicht mehr. Doch obwohl hier meist alle Effekt-Prozesse intern stattfinden, bietet die Software dennoch dasselbe alte Prinzip: Das digitale Signal kann bei jedem Kanal so programmiert (geroutet) werden, dass es vor oder nach dem Kanal-Equalizer durch ein beliebiges internes, virtuelles Effektgerät geführt wird und dann zum Kanal „zurückkehrt“. Tatsächlich ist es je nach Pult auch möglich, externe Effektgeräte zu verwenden. Dazu werden beliebige Ein- und Ausgangsbuchsen als Übergabepunkte programmiert. Wer also noch eine tonnenschwere Hallplatte zu Hause rumstehen hat, kann die auch im digitalen Zeitalter weiterverwenden ;-) Nur das Y-Kabel braucht man nicht mehr (sondern zwei ganz normale).
Mein Beispiel-Mischpult besitzt keine Direct-Out-Buchse. Viele hochwertige Analogpulte aber bieten diesen symmetrischen Klinken-Ausgang, um das eingespeiste Signal direkt nach dem Vorverstärker wieder nach außen zu führen. Der Fluss im Mischpult-Kanal wird dabei nicht unterbrochen. In früheren Zeiten war dies praktisch, um beispielsweise die einzelnen Pult-Kanäle mit einem Mehrspur-Aufnahmegerät zu verbinden (Live-Aufnahme oder im Studio) und dabei die hochwertigen, Pult-eigenen Vorverstärker zu nutzen. Das Pult wurde so als Signal-Splitter verwendet. Oder man speiste dieses Direct-Out-Signal in einen weiteren Kanal wieder ein (über die Line-Buchse). So hatte man dasselbe Instrument auf zwei Kanälen und konnte allerlei komische Sachen damit anstellen.
Wurde? Konnte? Nun ja, wir leben in digitalen Zeiten. Zwar gibt es noch analoge Pulte, aber Aufnahmen werden über den Computer gemacht. Und der erhält seine Signale über ein Audio-Interface in Form eines digitalen Mischpults. Aber selbst im Jahr 2020 gibt es noch immer Vinyl-Schallplatten und Röhrenverstärker, und so ist es absolut nicht ausgeschlossen, dass sich audiophile Analog-Nerds (meine ich positiv) auch heute noch über Direct-Out-Ausgänge an hochwertigen Analogpulten freuen :-)
Wer genau hingesehen hat, konnte im Blockschaltbild oben das Trittschaltfilter (HPF) entdecken. Dieses behandle ich erst im Kapitel Klangregelung. Bei analogen Pulten ist dies aber fest in die Eingangs-Elektronik integriert und deshalb auch meist beim Gain-Regler zu finden. Auch bei digitalen Pulten wird es vor dem Insert „geschaltet“ (eigentlich: „gerechnet“). Für mich gehört es aber mehr in den Klangregelungs-Abschnitt. Mehr dazu dort.
↪ weiter mit Vorverstärker / Preamp