Im vorigen Abschnitt Warum Mischpult? habe ich angedeutet, dass in einem Mischpult die vielen Eingangskanäle auf verschiedene Ausgangskanäle verteilt werden, genauer: auf verschiedene interne Signalwege (Busse oder Mixe genannt), von denen nur einige das Mischpult verlassen (Ausspielwege). Das Signal jedes Busses kann individuell aus den Eingangskanälen zusammengestellt werden. Und jeder Bus hat eine andere Aufgabe: So gibt es meist einen Master-Bus, eigentlich bestehend aus zwei Bussen (Links/Rechts), die zu den Frontlautsprechern geführt werden. Manchmal werden die Subwoofer von einem separaten Bus gespeist. Verschiedene Aux-Busse versorgen die einzelnen Monitor-Lautsprecher oder InEar-Systeme auf der Bühne (Monitorwege). Auf anderen Aux-Bussen werden die Eingangssignale für Effektgeräte (Hall, Delay, ...) zusammengemixt, die bei digitalen Pulten rein intern arbeiten.
Wichtig zu verstehen ist, dass aus vielen Eingangskanälen viele verschiedene Signale, verschiedene Busse erzeugt werden. Dieses Prinzip kann man direkt und sehr intuitiv vergleichen mit einer Tabelle mit Spalten (Eingangskanäle) und Zeilen (Busse). Besser noch ist das Modell einer mathematischen Matrix, die Zahlenwerte enthält, die ebenfalls in Spalten und Zeilen angeordnet sind, und die direkt den Pegelstellungen der einzelnen Regler am Mischpult entsprechen. Das analoge Mischpult mit seinen vielen bunten Knöpfchen und Schiebereglern stellt diese Matrix-Struktur schon rein optisch dar. In digitalen Pulten ist diese intuitive, mit den Händen (be-)greifbare Matrix weitgehend verlorengegangen (auch wenn das intere Prinzip noch genau dasselbe ist). Gerade für die praktische Arbeit am Digi-Pult ist es daher um so wichtger, sich diese Matrix-Struktur ins Hirn zu brennen!
Ich möchte hier niemanden mit Einzelheiten einer mathematischen Matrix langweilen oder überfordern. Ich möchte ein grundsätzliches Verständnis dafür vermitteln, wie das Pult arbeitet. Dies ist wichtig, um später schnell und intuitiv reagieren zu können, wenn der Gitarrist im Soundcheck sagt: „Bitte weniger Gitarre auf meinem Monitor!“ – was natürlich niemals vorkommen wird ;-)
Wie oben schon gesagt: Eine Matrix ist eine rechteckige Anordnung von Zahlen. Jede Zahl steht dabei in einer bestimmten Spalte und Zeile. Die Spalten entsprechen den Eingangskanälen des Mischpults, die Zeilen entsprechen den Bussen. Die Funktion dieser Matrix lässt sich mit zwei Kernsätzen beschreiben:
Beide Sätze stehen gleichberechtigt nebeneinander, und beide Denkweisen werden am Mischpult praktisch umgesetzt. Zu jedem Kernsatz möchte ich ein Beispiel geben:
Du siehst: Das analoge Mischpult unterstützt dich im Matrix-Denken. Das digitale Pult hat diese Matrix nur in seinem Code hinterlegt. Um so wichtiger ist, dass du die Matrix in deinem Kopf hast.
Bei digitalen Mischpulten existieren keine separaten Regler mehr für jeden Mix (z.B. die Aux-Busse). Solche Pulte bieten unterschiedlichste Wege, um einen bestimmten Eingangskanal auf einen bestimmten Bus zu mixen. Meist gibt es mehrere Möglichkeiten, dies am (Touch-)Display zu erledigen. In manchen Situationen kann das hilfreich sein. Meist ist aber der Weg über die Fader schneller.
Während die Fader eines analogen Pultes ausschließlich für den Gesamtmix (Main oder Links/Rechts) zuständig sind, haben sie beim Digi-Pult viele Aufgaben. Hierüber werden alle Busse gemixt. Dies ist auch der Grund, warum sie stets als Motorfader, also selbstbewegte Fader, ausgeführt sind.
Ein ausgewachsenes Digitalpult hat bei jedem Fader eine Mix-Taste, und zwar sowohl bei den Fadern der Eingangskanäle, als auch bei denen für die Ausgänge (die Master-Regler für Links/Rechts oder die Aux-Busse). Entsprechend der oben genannten Kernsätze und der beiden genannten Praxis-Beispiele habe ich hier zwei Möglichkeiten:
Gaaanz wichtig: Nach jeder solchen Aktion, nach jeder und sofort, schalte ich die gewählte Mix-Taste wieder aus. Jedes Pult schaltet dann alle Fader wieder zurück auf den normalen Links/Rechts-Mix. Ich habe mir angewöhnt, den Finger auf der betätigten Mix-Taste zu lassen, bis die Änderungen durch meine zweite Hand vollzogen sind. Der Finger auf der Taste dient mir als Erinnerung, sofort wieder zurückzuschalten. Es kann sehr leicht einer Katastrophe gleichkommen, wenn man das vergisst und nach einer solchen Aktion beherzt das Gitarren-Solo hochregelt, weil man meint, im Links/Rechts-Mix zu sein, in Wirklichkeit aber noch immer den Monitor-Mix vorliegen hat!
Nicht jedes Digi-Pult bietet die Mix-Taste für die Eingangskanäle, bei manchen fehlt sie ganz. Zwei Beispiele:
Das abgespeckte, aber sehr gut durchdachte Qu32 von Allen&Heath hat Mix-Tasten für alle Busse, aber nicht für die Eingangs-Kanäle. Hier habe ich also für beide oben genannten Situationen nur einen Weg, nämlich den zweiten: Ich wähle den Mix und kann die Eingänge darauf mixen. Für das erste Beispiel (weniger Gitarre für Gitarrist und Sängerin) bedeutet das, dass ich zwei Mix-Tasten hintereinander abarbeiten muss, um bei jedem die Gitarre herunterzuregeln. Ist auch nicht viel langsamer, aber nicht ganz so intuitiv.
Das allseits beliebte Volksmischpult X32 von Behringer besitzt gar keine Mix-Tasten, dafür aber eine einzelne „Sends on Fader“-Taste. Mit ihr lassen sich die Select-Tasten an allen Kanälen in Mix-Tasten verwandeln. „Sends on Fader“ bedeutet, dass die Fader anzeigen, wie stark ein Eingang an einen Bus gesendet wird. Drücke ich am X32 die „Sends on Fader“-Taste und anschließend die Select-Taste der Gitarre, habe ich auf den Ausgangs-Fadern den Pegel für den jeweiligen Bus – also genau dasselbe, als sei die Select-Taste eine Mix-Taste. Genau so bewirkt die Select-Taste an einem Bus die entsprechende Fader-Anzeige auf den Eingangs-Kanälen. Bei diesem Verfahren hat man einen Tastendruck mehr, um ans Ziel zu kommen, und man ist gezwungen, die Select-Taste zu verstellen.
Auch bei diesen Pulten gilt: Den Mix sofort wieder zurückschalten! (durch Ausschalten der „Sends on Fader“-Taste)
↪ weiter mit Ein Beispiel-Mischpult Roland Kiefer am 24.01.2023 um 22:18 Uhr | Sehr schön erklärt. Die Funktion der Busse ist für Nicht Techniker immer wieder eine Challenge. Die Sicht von den Kanälen auf die Busse und die Sicht von den Bussen auf die Kanäle verwirrt die meisten dann noch zusätzlich. Herzlichen Dank für die Hilfestellungen. Lieben Gruss Roland |