(eine Sinuskurve als Signal in eine logarithmische Darstellung zu zeichnen, ist eigentlich nicht state of the art, dient aber der Veranschaulichung)
Einige Pulte zeigen eine (drohende) Übersteuerung im Kanal mittels Peak-LED an. Sie warnt nicht unbedingt erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sondern wenn der Headroom fast ausgechöpft wurde. In jedem Falle sollte man eine hektisch blinkende Peak-Anzeige nicht lange ignorieren.
Optimalerweise wird die Vorverstärkung einmal beim Soundcheck eingestellt und dann in Ruhe gelassen. Aber nicht immer ist alles optimal. Manchmal ist es nötig, auch später noch den Gain nachzujustieren, z.B. bei ständig wechselnden Personen am Mikro. Fasst man den Gain-Regler erneut an, muss man bedenken, dass man damit alle Ausgangspegel dieses Kanals beeinflusst. Was über den Fader die Lautsprecher erreicht, hat man im Ohr, die Aux-Wege aber nicht. Erhöhe ich den Gain, werden auch angeschlossene Bühnen-Monitore lauter. Die veränderte Lautstärke könnte die Personen auf der Bühne irritieren. Auch eine Aufnahme, die über die DirectOut-Buchsen oder über Post-Aux-Wege beliefert wird, steuere ich folglich anders aus als bisher. Muss ich das korrigieren?
Kommt drauf an. Wenn ich den Gain wegen eines plötzlichen, unvorhergesehenen Abfalls oder Anstiegs des Eingangssignals anpasse, ist die Korrektur auf den Aux-Wegen vielleicht gar nicht störend, sondern hilfreich. Schließlich stelle ich den bisherigen Lautstärke-Status-Quo wieder her. Ich muss nur beachten, dass ein erhöhter Gain die Rückkoppelgefahr erhöht. Wenn sich aber gar nichts verändert hat und ich nur beim Soundcheck geschlampt habe, dann sollte ich die dBs, die ich im Gain nachregeln muss, an den einzelnen Ausgangswegen entsprechend ausgleichen. Ziel ist hier nämlich nicht eine Veränderung irgendeiner Lautstärke, sondern lediglich die korrekte Aussteuerung im Pult.
Die Challenge beim Gainen besteht darin, den lautesten Pegel eines Instruments zu finden. Einen Gitarristen beispielsweise bitte ich explizit um den lautesten Gitarren-Sound. Da aber kaum jemand während des Soundchecks so laut agieren wird wie während des Gigs, animiere ich ihn, ordentlich in die Seiten zu hauen. Er wird sich freuen, doch das wird sich ändern, sobald ich ihn etwas später bitte, ordentlich in sein Gesangsmikro zu brüllen, wie er es in dem Song XY tut – jetzt aber bitte solo und a capella und auf dem Präsentierteller. Auch Schauspielerinnen und Schauspieler sind beim Soundcheck eher zurückhaltend, schreien aber später im Theaterstück, wenn sie sich vor der bösen Hexe erschrecken. Das alles muss ich im Hinterkopf haben und sie beim Soundcheck ein wenig herausfordern. Schließlich muss ich verhindern, dass die lautesten Stellen verzerrt werden. Erschwert wird die Sache allerdings dadurch, dass Menschen unterschiedlich sind. Manche werden vor Publikum noch einmal deutlich aufdrehen (durch Adrenalin und Alkohol), andere macht die Bühnenangst eher stumm (z.B. Kinder). Wie gut, dass es den Headroom gibt.
Die Phantomspeisung dient der Spannungsversorgung eines angeschlossenen Mikrofons (oder einer DI-Box). Sie hat zwar nicht direkt etwas mit der Vorverstärkung zu tun, befindet sich aber in unmittelbarer Nähe des Verstärker-Eingangs. Daher ist sie bei analogen wie digitalen Pulten im Bereich des Gain-Reglers zu finden. Sollte ein Mikrofon diese Spannungsversorgung benötigen (Kondensatormikrofon), wird es stumm bleiben, bis ich diese 48 Volt einschalte. Wenn es im Kanal diesen Schalter aber nicht gibt, dann ist er irgendwo anders am Pult angebracht. In diesem Fall schaltet er global für mehrere oder alle Eingänge die Phantomspeisung an oder aus. Aufgrund des „Phantom-Charakters“ dieser Spannung ist sie für Mikrofone, die keine Spannungsversorgung benötigen (dymnamsche Mikrofone), nicht schädlich.
Wichtiger Hinweis: Viele Mikrofone geben mehr oder weniger starke Knall-Geräusche von sich, während ihre Phantomspeisung ein- oder ausgeschaltet wird. Daher sollte man darauf achten, den Kanal vor dem Umschalten zu muten!
Mein Beispiel-Mischpult hat keine Invertierungs-Taste. Zu selten habe ich das Bedürfnis, das Signal zu invertieren. Invertieren heißt: mit minus Eins multiplizieren. Oder weniger mathematisch: Jeder positive Spannungsausschlag wird negativ, jeder negative positiv. Bei analogen Pulten wird diese Funktion realisiert, indem bei gedrückter Taste „+“- und „-“-Eingang der Eingangsbuchse vertauscht an den Vorverstärker weitergereicht werden. Digitale Pulte multiplizieren das digitale Signal einfach mit minus Eins.
Nützlich ist dies z.B. bei der Abnahme einer Snaredrum mit zwei Mikrofonen, einem über dem Schlagfell und einem unter dem Resonanzfell. Trifft der Schlegel auf das Schlagfell, werden beide Felle nach unten ausschlagen. Das Schlagfell entfernt sich dabei vom oberen Mikro, das Resonanzfell aber nähert sich dem unteren an. Die elektrischen Signale werden dementsprechend unterschiedliche Polaritäten haben. Mische ich beide Kanäle hinter den Fadern zusammen, heben sich die Signale teilweise auf. Damit erreiche ich das Gegenteil von dem, was ich wollte: die Snare klingt matschig und zahnlos. Wenn ich aber einen der beiden Kanäle invertiere, ergänzen sich die Signale, wodurch einer Snare einiges an Leben eingehaucht werden kann.
Diese Invertierungs-Taste wird auch gerne mal mit „Phase“ bezeichnet. Eine Phasenverschiebung ist aber immer ein zeitliches Verschieben, und das findet bei dieser Funktion nicht statt. Nur bei einfachen Signalen wie einer reinen Sinusschwingung kann eine Invertierung als eine Phasenverschiebung um die halbe Periodendauer angesehen werden.
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